Nach dem Hochwasser: Einwohnerversammlung in Gerolstein zu Fördermaßnahmen, Hochwasserschutz und Wiederaufbau


Das Bedürfnis nach Informationen nach dem Juli-Hochwasser ist auch in der Vulkaneifel groß. Rund 200 Bürger*innen besuchten in der Stadthalle in Gerolstein am vergangenen Dienstag die Einwohnerversammlung zu Flut-Fragen, eine von insgesamt acht Veranstaltungen des Landes in der Eifelregion, nach 17 Versammlungen an der Ahr.

Vertreter der Landesregierung, der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord, der Struktur- und Investitionsbank (ISB) und sowie Hochwasser-Experten und weitere Behördenvertreter beantworteten an diesem Abend Fragen zu Wiederaufbau, Fördermittel und Hochwasserschutz. Landrätin Julia Gieseking und Bürgermeister Hans Peter Böffgen gaben bei der Fragerunde Auskunft zu Themen auf Kreis- und VG-Ebene. Wir haben die Inhalte für Sie zusammen gefasst und Ihnen die zugehörige Präsentation beigelegt. Die Informationen zu Förderfragen sind online abrufbar (s. unten).

Der Experte für Wasserrecht Hans-Hartmann Munk erläuterte die Hintergründe zum Hochwasserereignis anhand der Kriterien Niederschlag, Wasserstand und Abfluss. Der Vorregen habe zur Wassersättigung der Böden geführt, über die der Starkregen wie über eine Betondecke hinweggerauscht sei, so der Hydrologe. Beispielhaft für das Kyllgebiet seien in Lissendorf am 14.07. in 20 Stunden insgesamt 200 mm Regen je m² gefallen. Die DWD-Warnkriterien waren mit einem Wert von 80 mm/24h und bei extrem heftigem Starkregen bei über 60 mm/6h definiert. Entsprechend mussten auch die Vorhersagen zu möglichen Pegelständen der Flüsse laufend aktualisiert werden.

Grund: Die regionsbezogene Frühwarnung lässt sich laut des Experten nicht ortsbezogen festlegen. War am Vormittag des 14.07. in Eifel und an der Ahr in Teilen ein 20jähriges Hochwasser vorhergesagt worden, wurde kurz vor 20 Uhr daraus ein Hochwasser-Ereignis, das alle 50 bis 100 Jahre stattfindet. Die Folge am Beispiel Densborn: Bis dato lag hier der statistische Abflusswert der Kyll für ein alle 100 Jahre auftretendes Hochwasserereignis bei 190 Kubikmeter Wasser pro Stunde, tatsächlich musste der Ort mit 400 Kubikmeter fertig werden. In Gerolstein lagen die Werte bei tatsächlichen 220 Kubikmeter versus statistischen 133 Kubikmeter.

Ein Baustein, sich in Überschwemmungs- bzw. Risikogebieten auf solche Extremsituationen vorzubereiten, sei hochwasserangepasstes Bauen. Laut Joachim Gehrke von der SGD Nord sind im Überschwemmungsgebiet die Ausweisung neuer Baugebiete, die Errichtung und Erweiterung baulicher Anlagen und die Errichtung neuer Heizölverbraucheranlagen inzwischen verboten. In durch Überschwemmung gefährdeten Gebieten (Risikogebiete) sollten bauliche Anlagen nur noch in einer dem jeweiligen Hochwasserrisiko angepassten Bauweise errichtet werden. Das könne auch im Bestand erfolgen.


Er riet den Anwohnern, Haus- und Stromanschlüsse über der Hochwasserlinie anzulegen. Druckdichte Klappschotten und Türen könnten ebenso helfen wie der Einbau von Rückstauklappen zum Kanal und die Abdichtung von Leitungen. Die Ausrichtung eines Hauses müsse so angelegt sein, dass es Wasserströme nicht auf Nachbarbauten lenke.

Die Hochwasservorsorge beginne aber schon früher: Der gesamte Kreis Vulkaneifel sei Vorfluss- und damit Entstehungsgebiet für alle Nachbarregionen. Gehrke betonte die Bedeutung von Hochwasserpartnerschaften und Hochwasserschutzkonzepten.

„Die Verbandsgemeinde Gerolstein hat bereits Konzepte mit Gemeinden erarbeitet. Diese Erfahrungen müssen nun in die weiteren Vorsorgemaßnahmen und noch ausstehende Konzepte einfließen.“ Es reiche deshalb nicht aus, dass jede Gemeinde nur für sich arbeite, sondern alle müssten in „großen Flussgebieten“ denken. Als positives Beispiel für die Solidarität zwischen Oberliegern (Höhenlagen der Eifel) und Unterliegern (Tallagen)“ nannte er die bereits bestehende Hochwasserpartnerschaft Kyll, in der Bürgermeister Böffgen im September 2021 den Vorsitz übernommen hat. 

Als weitere Bausteine nannte er die Rückhaltebecken („Der Stausee Kronenburg funktioniert bis zu einem 50jährigen Hochwasserereignis.“) und die Gewässerpflege („Bäume an Flussufern halten die Gewässer kühl und den Uferboden fest.“). Auch die Wald- und Landbewirtschaftung müsse an Hochwasserbedingungen angepasst werden. Vorwarnzeiten und Präventionsmaßnahmen würden jedoch nur helfen, wenn die Informationswege funktionieren. Diese müssen unbedingt geschult werden, so sein Appell.

Zu Förderhilfen für Flut-Geschädigte informierte Ulrich Dexheimer, Vorstand der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB). 15,3 Milliarden Euro seien an Fördergeldern bereitgestellt. „Es ist kein Windhundrennen: Das Geld ist da und die Antragstellung bis 30. Juli 2023 möglich.“ Die ISB unterstützt zu Schaden gekommene Unternehmen, Angehörige freier Berufe, Privatpersonen, Vereine, Stiftungen und Religionsgemeinschaften.

Anträge können nur online gestellt werden. Die Online-Option (statt Papier) soll das Antragsverfahren bei 30.000 zu erwartenden Anträgen erleichtern, das hätten die Erfahrungen aus der Corona-Förderbewilligung gezeigt. Wer selbst nicht die Möglichkeit hat, Anträge online zu stellen, könne dazu zum Beispiel einem Familienangehörigen die Vollmacht erteilen.

Die Online-Formulare sind auf der Internetseite der ISB unter https://isb.rlp.de/unwetterhilfen zu finden. Dort stehen drei „Förderstrecken“ zur Auswahl: (1) Private Hausratsschäden, (2) private Gebäudeschäden sowie (3) gewerbliche Schäden.

Telefonische Auskunft geben die ISB-Mitarbeiter von montags bis freitags von 08:00 bis 18:00 Uhr sowie samstags von 10:00 bis 15:00 Uhr unter den Telefonnummern 06131 6172-1900 (Beratung Aufbauhilfe Hausrat) und 06131 6172-1444/-1500 (Beratung Aufbauhilfe allgemein).

Bislang sind bei der ISB 4500 Anträge für Hilfen bei Hausratsschäden eingegangen. 2500 Anträge davon seien laut ISB davon bereits genehmigt oder ausgezahlt.

Weitere Informationen unter https://wiederaufbau.rlp.de/de/startseite/